Bio - das Wissen der Biologie, der Natur und deren Prozese
Mechanik - das menschengemachte, Roboter, Stahl leblose Maschinen
Wie passt das nun eigentlich zusammen? Stellen diese beiden Begriffe doch eigentlich krasse Gegensätze dar.
Technisch gesehen bedeutet der Begriff " Biomechanik" die Leere der biologischen Mechanik bzw. Bewegung.
Was hat das denn nun alles mit dem Thema Biomechanik Tattoo zu tun, und wie passt dies zusammen?
Genau diese Gegensätze sind der Grundgedanke hinter dieser Stilfrom.
Das Aufeinandertreffen zweier Extreme.
In einer von Technologie Überschwemmten Welt in der wir oft nur noch funktionieren wie "Maschinen" und es um stetige Selbstoptimierung geht stellt die Biomechanik
Künstlerisch genau diese Frage:
Werten wir uns auf, oder ab? Wo hört das biologische Leben auf, und wo beginnt die Maschine? Kommen wir an einen Punkt, an dem beides miteinander
verschmilzt?
Nutzen wir die gewonnene Stärke zum Schutz für uns selbst, oder als Energiequelle, um weiter stark durchs Leben zu gehen?
Alleine im Begriff Biomechanik steckt so also schon viel Philosophie und Interpretationsmöglichkeit.
Der eigentliche Grundgedanke hinter Biomechanik ist mit Sicherheit deutlich älter als die Tattoo-Stilrichtung selbst. Die Idee um Androiden und um Verbesserungen
und Augmentierungen um den menschlichen Körper kursiert schon seit geraumer Zeit in den Köpfen der Menschen. Dabei gelten besonders Autoren wie Isaac Asimov (1919-1992) und Philip K. Dick
(1928-1982) als Pioniere dieser Ideen.
Danach kamen Serien und Filme wie Matrix, Blade Runner, Star Trek und Star Wars und griffen viele dieser Ideen auf.
Daher variieren Biomechanische Tattoos und Biomechanik oder Biomechanic Tätowierungen auch optisch sehr stark, da der Bereich der Biomechanik in der Tattooszene viele Varianten und Ausdrucksweisen kennt.
Biomechanik-Tattoos zeigen oft Mischungen aus organischen und mechanischen Teilen, die ineinander verschmelzen, um den Eindruck lebender Maschinen zu erwecken. Die Idee hinter Biomechanik-Tattoos ist, den Körper als Maschine zu betrachten und die Schönheit in all den mechanischen und technischen Bestandteilen unserer Welt zu feiern. Darüber hinaus können Biomechanik-Tattoos auch verwendet werden, um die menschliche Form zu dekonstruieren und ikonische Symbole und Designs zu schaffen.
Klassisch stellt man sich unter Biomechanik Tattoos Hautaufrisse vor, unter der die Anatomie der Muskeln, Knochen, Adern und Sehnen zu sehen sind. Aber auch richtige mechanische Elemente wie Zahnräder, Stoßdämpfer, Kettenzüge, Schrauben, Schraubenköpfe,Bolzen, Muttern, Nieten oder auch mechanische Federn.
Hier gibt es auch gerne Mischungen mit diversen Elementen aus dem Dieselpunk oder Steampunk Stil.
Wieder andere Elemente der Biomechanik gehen eher in die Zukunft und stellen Bioelektronik dar, also eher Schaltkreise, Kabel oder Cyborg und Roboterrüstungen.
Diese Kunstform ist größtenteils aus den Cyberpunk Ideen diverser Schriftsteller und Filmregisseure entstanden.
Hierbei wird gerne mit Kabeln, Platinen, futuristischen Platten und Energiequellen gearbeitet.
Eine andere Variante der Biomechanik Stellen Rüstungen dar, hierbei gibt es auch wieder eine Vielzahl von Varianten, dies können mittelalterliche Rüstungen mit
Ketten und Schulterplatten sein, Fantasyrüstungen aus Universen wie Warhammer 40k oder Videospielreihen wie Dark-Souls, oder aber auch Cyborg Rüstungen die oft an moderne transhumanistische Filme
wie Blade Runner oder Videospiele wie Cyberpunk oder Deus Ex angelehnt sind.
Hierbei werden die Rüstungen entweder "auf" das Körperteil gelegt, oder sehen so aus, als wäre die Haut zerrissen und darunter kommt die Rüstung zum Vorschein.
Natürlich findet auch der Horror und das Morbide seinen Platz in modernen Biomechanik Tattoos.
Diese Richtung nennt man dann gerne Bioorganik oder Bioorganic.
Hierbei geht es darum, dass der Körper verwuchert oder mutiert aussieht.
Die Haut platzt auf, es kommen Knochen, Zähne, Dornen und Augen zum Vorschein. Hier wird es sehr wild, düster und böse.
Anreize für diesen Stil bieten allerlei Filme, seien es nun Zombieklassiker wie Dawn of the Dead, die Resident Evil Reihe, aber auch hier wieder Spiele wie Dead Space oder Silent Hill.
Die Biomechanik lässt so also sehr viel Spielraum für die eigene Interpretation, besonders da all diese Stile miteinander auch kombiniert werden können. Das
wichtigste für ein gutes Biomechanik Tattoo ist hierbei einen guten "Fluss" zu finden. Ein professionell und gut geplantes Biomechanik Tattoo sollte die Bewegung des Körpers unterstreichen und
mit ihm harmonieren, so lassen sich Muskeln und Körperform schön unterstreichen.
Optisch ist es hierbei wichtig, eine gute Dynamik aus hoch detaillierten und optisch ruhigen Bereichen zu finden, damit der Betrachter nicht vom Kunstwerk "erschlagen" wird.
Hinter einem guten Biomechanic Tattoo steckt also viel mehr, als man auf den ersten Blick denkt.
Insgesamt sind Biomechanik-Tattoos eine faszinierende Möglichkeit, die Schönheit der Technologie mit einem bisschen Science-Fiction-Flair zu kombinieren. Ob du ein Fan von Maschinen und Robotern oder einfach nur auf der Suche nach einer einzigartigen Kunstform für deine nächste Tätowierung bist, ein Biomechanik Tattoo könnten genau das sein, wonach du suchst.
Schauen wir uns die verschiedenen Varianten doch einmal genauer an.
Die erste Variante ist die rein mechanische. Dies bedeutet, man arbeitet so, als wäre die Haut an einigen Stellen aufgerissen und darunter sind Maschinenteile wie Federn, Kolben, Zahnräder, Kabel und Schläuche zu sehen.
Beio Großprojekten die über den ganzen Arm, Bein oder Rücken gehen, wird aber auch gerne auf den Hautaufriss verzichtet, um so mehr Platz für die Darstellung der mechanischen Elemente zu haben.
In dieser Art der Biomechanik kann, ähnlich wie bei der Mechanik, mit Hautaufrissen gearbeitet, nur stellt diese Variante oft die direkte Anatomie der Körperstelle durch die darunter liegenden Muskelstränge dar, aber auch Sehnen, Knochen, Organe können hierbei zum Vorschein kommen.
Man kann diesen Stil aber auch freier interpretieren, wie bei dem Rücken Projekt. hier haben wir uns von der Wirbelsäule anatomisch inspirieren lassen, aber ansonsten frei gearbetiet. Das Bild mit den Krähen stellt eine weitere freie Interpretation der Anatomie dar.
Bei organischen Elementen wird oft auf die Hautaufrisse verzichtet und man arbeitet so, als würde sich die Haut an sich transformieren und zu anderen Formen verwandeln, fast so, als wäre die Haut mutiert. Oft nehmen sich Tätowierer Elemente und Texturen aus der Natur, wie etwa Stein- oder Holztexturen als Vorbild, um das Erscheinen der Formen realistischer und interessanter zu gestalten. Diese Unterart der Biomechanik ist besonders durch Science Fiction-Literatur geprägt und folgt dem Gedanken der nächsten Evolution des Menschen. Einige nehmen diese Stilrichtung auch als „Huldigung“ der Natur / des Lebens wahr, da sie die Komplexität der Natur und ihrer Anpassungsfähigkeit widerspiegelt.
Wer Biomechanik mag, kommt an dem berühmten Schweizer Künstler (Hans Rudolf) HR Giger nicht vorbei. Diese Stilrichtung widmet sich dem Schaffen dieses Künstlers und versucht, ähnlich wie Giger, die Grenzen zwischen Mechanik und Organik verschwimmen zu lassen. Dies bedeutet, man arbeitet sowohl mit mechanischen als auch organischen Elementen und kombiniert sie so, dass sie zu einem werden. Es gibt keine harten Abgrenzungen zwischen den Elementen und so wird aus beidem am Ende Eins.
Diese Stilrichtung ist wohl die interessanteste und tiefgründigste Variation, da sie abseits von ihrem optischen Anspruch auch die philosophischen Fragen der Science-Fiction-Literatur aufgreift.
Was bedeutet Mensch sein? Wo ist die Grenze zwischen uns und Maschinen? Was passiert, wenn diese Grenzen überschritten werden? Fragen, die in Filmen wie "Blade Runner“ oder dem Buch „Träumen Androiden von elektronischen Schafen?“ zu Grunde liegen und schon immer einen wesentlichen Bestandteil der Sci-Fi-Literatur darstellen. Gerade heute, wo Technologie immer mehr Aufgaben in unserem Alltag übernimmt und auch Augmented Reality, Virtual Reality, Implantate, künstliche Intelligenz und immer komplexere Prothesen sich immer weiter entwickeln, sind solche Fragen aktueller denn je.
Daher ist dies auch eine meiner favorisierten Unterkategorien der Biomechanik.
Oft geht mit dieser Entwicklung ein gewisser dystopischer Gedanke einher, wodurch die Bilder oft eher dunkel gehalten sind.
Dies sind nur einige der zahlreichen Unterkategorien. Biomechanik lässt dem Künstler sehr viel Spielraum, um jede Menge Elemente einzubinden und ist daher fast unendlich erweiterbar.
Ich selbst habe schon verschiedenste Projekte ausführen dürfen. Zum Teil einige mit mechanischen Tieren, ähnlich wie im aktuellen „Horizont Zero Dawn“-Spiel, oder einen Sleeve, welcher durch „Warhammer 40k“ inspiriert wurde. Biomechanik ist seit jeher ein bedeutender Bestandteil der Populär-Kultur und findet sich durch Androiden oder halb Mensch / halb Maschinenwesen in fast allen Sci-Fi orientierten Filmen und auch Spielen wieder. Die bekanntesten Vertreter dafür sind sicherlich "Star Wars“, „Star Trek“, „Terminator“, „Matrix“ und auch die „Deus Ex“-Reihe.
Armor und Rüstungs Tattoos erklären sich fast von alleine.
In diesem stil werden Teile der Haut als Rüstungen dargestellt.
Dies kann von Cyborg Rüstungen, über mittelalterliche Rüstungen oder sogar bis hin zu Fantasy Rüstungen gehen
Diesen Gedanken ein künstlerisches Gesicht zu geben und sie zu veranschaulichen, gelang dann jedoch erst dem vorab schon erwähnten Schweizer Künstler HR Giger (1940-2014).
Seine visionäre Kunst und die Verbindung zwischen Mechanik und Organik errangen in kürzester Zeit weltweiten Ruhm und trafen Mitte der 70er Jahre genau den Zeitgeist. Sein Mitwirken in Filmen wie "Alien“ und „Dune der Wüstenplanet“ half ihm und seiner Kunst schnell Anklang in der Sci-Fi und Horror-Szene zu finden.
Durch diesen Ruhm und die Verbesserung der Technik des Tätowierens kam es schnell, dass sich die ersten Menschen Bilder von Giger tätowieren ließen. Dies war die Geburtsstunde der Biomechanik.
In den 90er Jahren entwickelte sich die Stilrichtung durch Szenegrößen wie Aaron Cain und Guy Aitchison insofern weiter, dass nicht nur noch Designs von Giger übernommen wurden, sondern Tätowierer anfingen, diese Stilart umzugestalten und weiterzuentwickeln.
Giger hatte, abgesehen von der Biomechanik, auch einen maßgeblichen Einfluss auf Horror-Tätowierer, ganz besonders natürlich auf die Horror-Legende Paul Booth, welcher wiederum sehr viele andere Tätowierer durch sein Wirken beeinflusste. So ist Giger heutzutage in beiden Stilrichtungen nicht mehr wegzudenken.
Was reizt dich persönlich an Biomechanik?
Mich reizt besonders die gestalterische Freiheit der Biomechanik. Es ist toll, sich ein Design auszudenken, zu sehen, wie es zum Leben erwacht, wenn ich die Vorlage auf die Haut übertrage. Die nahezu unendlichen Möglichkeiten der Biomechanik lassen mir dabei viel Spielraum, mich selbst in das Design einzubringen und etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen.
Wo man im Realismus sehr viel nach einer Fotovorlage arbeitet, hat man hier die Möglichkeit, in der Biomechanik gestalterisch selbst zu erschaffen. So ist jedes Design individuell angepasst und jedes Tattoo ein echtes Unikat.
Weiterhin bin ich schon immer ein sehr großer Fan von Giger gewesen und in gewisser Weise fühle ich mich, als würde ich seine Tradition, bzw. seinen Urgedanken weiter tragen.
Welche Vorbilder hast du im Bereich Biomechanik?
Oh je, da gibt es doch zahlreiche. Aus dem Kunstbereich sind es HR Giger und Zdzislaw Beksinski. Im Bereich des Tätowierens sind es Sam Nugent (Insamnia), Stepan Negur, Tommy Lee Wendtner, Kali Davidson, Eric De L’Etoile, Jeremia Barba und Markus Lenhard, Lux Altera um nur ein paar zu nennen.