All diese Kunstwerke haben eins gemeinsam, sie wurden in Sekunden erstellt, und es brauchte keinen Menschen, der sie erstellt.
Man gibt also ein paar Schlagwörter ein und fertig ist das Kunstwerk, klingt zu schön um wahr zu sein? Ab jetzt nicht mehr. Dank Programmen wie Midjourney oder DALL-E ist genau das möglich!
Die Programme sorgen in Künstler und auch Tätowierer-Kreisen gerade für reichlich Diskussion. Was ist Kunst, wann ist Kunst, was unterscheidet uns von Maschinen? Ist es letzlich nicht die Kreativität und Vorstellungskraft, die unser letzter Charackterzug ist, den wir den Maschinen vorraus haben?
Ein dystopischer Alptraum, die Kernfragen aus Philip K. Dick's "Träumen Androiden von elektronischen Schafen" werden schon heute
real und wir sind mitten drin.
Aber nun erstmal langsam.
Wie genau funktioniert das ganze denn genau?
Ich habe hierzu ein kleines Video gemacht, indem du siehst, wie genau Midjounrey arbeitet:
Wie im Video zu sehen ist, ist Midjourney ein in Discord eingebautes Programm.
Derzeit befindet sich das Programm noch in der Beta-Version und wird geupdated. Man kann über einen Einladungslink an der Beta teilnehmen und kann ca. 20 Bilder frei generieren. Danach ist ein Abonnement fällig, welches entweder 10 $ oder 30 $ pro Monat kostet.
Midjourney arbeitet dabei mit Schlagwörtern, anhand dieser Schlagwörter greift die A.I. auf diverse Fotoquellen zurück und versucht, je nach Schlagwörtern, daraus das passende Bild zu gestalten. Hierbei lassen sich sogar Künstlernamen eingeben, woraufhin die A.I. den Stil dieses Künstlers kopiert.
Die A.I. braucht nun etwas Zeit das Bild zu generieren.
Danach bekommen wir 4 Varianten des Bildes angezeigt und können jede Variante über die U Knöpfe dadrunter hochskalieren oder über die V Knöpfe Varianten davon erstellen.
Zwar haben wir viele Möglichkeiten, Bilder zu erstellen, jedoch lässt sich dies nur grob eingrenzen. Zusätzlich dazu bedeuten die gleichen Keywords nicht das gleiche Bild.
Gebe ich die gleichen Keywords zweimal hintereinander ein, erhalte ich unter Umständen doch sehr unterschiedliche Bilder.
Es ist mir also nicht möglich, im Nachhinein noch große Korrekturen an den Bildern vorzunehmen.
So lassen sich zwar sehr coole Bilder erstellen, der Zufallsfaktor spielt dabei jedoch immer eine große Rolle.
Es war ein wenig Gefühlschaos, als ich das erste Mal von Midjourney gehört habe. Auf der einen Seite habe ich die unendlichen Möglichkeiten gesehen, in sekundenschnelle coole Bilder zu generieren, auf der anderen Seite habe ich mich natürlich auch etwas in meinem Tun bedroht gefühlt. Dazu kommt noch, dass ich ein kleiner Technik-Nerd bin und erstmal komplett baff davon war, dass so etwas überhaupt möglich ist.
Es herrschte also ein ganz schönes Durcheinander in mir.
Als Biomechanik Spezialist und Horror Enthusiast reizte und reizt mich Midjourney in erster Linie darin dadurch das es doch meist sehr schwierig, ist gute Referenzen für Texturen zu finden. Natürlich kann man da auf diverse Motive zurückgreifen, die Natur bietet da wahnsinnig viel Inspiration in Baumrinden, Tothölzern, Steinformationen oder man sucht selbst in Bildern von bekannten Künstlern, die sich selbst mit dem Thema auseinandergesetzt haben nach Inspiration. Die größten Quellen hierbei sind natürlich Künstler, wie die Biomech Legende H.R. Giger, Zdzisław Beksiński oder auch Dariusz Zawadzki.
Letztenendes lässt man sich natürlich auch von den Tattoos andere Künstler inspirieren, dennoch ist man irgendwo immer auf der Suche nach neuen Texturen, Formen und Ideen.
Genau hier sehe ich auch die Stärke solch eines Programmes. Suche ich Sack-ähnliche Texturen für ein Vogelscheuchen Projekt oder brauche ich etwas fleischig und organisches, vielleicht ja auch eine Kombination aus Fleisch, Knochen und Mechanik? Jetzt habe ich ein einfaches Tool zur Hand, um mir Referenzen dafür selbst zu schaffen, anstatt, wie vorher, Ewigkeiten die Google Suche zu bemühen, nur um frustriert festzustellen, dass ich nicht das finde, was ich brauche.
Hier zeige ich mal ein paar dieser Texturen:
Solche Bilder sind super, um mich in meinem Kreativ-Prozess zu unterstützen. Üichtig hierbei ist, zu beachten, dass sie meine Arbeit erleichtern, sie mir aber nicht abnehmen.
Diese Bilder sind eine tolle visuelle Guideline für biomechanische und bioorganische Projekte, das eigentliche Design muss ich aber dennoch per Hand auf das Körperteil des Kundens anpassen und zeichne diese weiterin komplett selbst.
Lediglich die Textursuche wird etwas erleichtert.
Ich glaube am besten lässt sich dies mit Programmen wie CAD und Bauzeichnern vergleichen, wir benötigen auch weiterhin Bauzeichner. Nur anstatt alles mit Linealen händisch in einen großen Bebauungsplan einzuzeichnen, hat man den Luxus, dass die Linien durch die Software gerade werden.
Die Arbeit wird erleichtert, aber man muss sie dennoch selbst ausführen und sich selbst Gedanken machen, welche Formen an welches Körperteil passen.
Ich habe dazu über die Jahre meiner Tattoo-Laufbahn zum Beispiel intensiv mit Anatomie, dem Körperfluss und dem Körper in Bewegung auseinander gestzt, damit die Designs, die ich erstelle, auf dem Körper auch in Bewegung gut aussehen und sie den Körper optisch in dieser Bewegung unterstützen.
Diese Entscheidungen, die ich beim Erstellen der eigentlichen Vorlage kontinuierlich mache, kann mir dabei kein Programm abnehmen. Dies funktioniert nur über meine eigene und langjährige Erfahrung.
Viele Künster und Künstlerinnen befürchten derzeit, dass A.I das Ende der menschlichen Kreativität darstellt, dass sie ersetzt werden und dadurch arbeitslos werden.
Ich denke diese Fragen und Sorgen lassen sich nicht einfach beantworten, in manchen Fällen mag dies das Ende sein. Der ein oder andere Tätowierer geht vielleicht dazu über, aus Faulheit nur noch schnell ein paar Keywords einzutippen und den Kunden mit seinen/ihren "tollen und selbstgemachten" Designs den Atem zu rauben.
Ich glaube, dies ist aber kein Problem der A.I., dies ist eher ein persönliches Problem. Es gibt immer Menschen, die den schnellen und einfachen Weg suchen, so findet man schon jetzt unzählige Instagram Profile, die A.I. Art als ihre eigene Kunst verkaufen möchten. Hat man allerdings ein paar dieser Bilder mal gesehen, erkennt man den Stil und die Art der Bilder doch recht schnell.
Wir Menschen haben oft vor Neuem schnell Angst und sorgen uns, das ist ein Instinkt, der tief in uns schlummert. Als wir vor ein paar tausend Jahren noch durch den Busch geschlendert sind auf der Suche nach etwas Essbaren, war es wichtig, dass wir erstmal defensiv geworden sind, wenn wir auf ein neues und unbekanntes Lebewesen gestoßen sind. Schließlich konnte man dessen Stärke und Gefahr schlecht einschätzen.
Daher wundert es mich wenig, dass viele Kollegen (sowohl Künstler als auch Tätowierer) sehr besorgt auf solche Programme schauen, ich kann es auch nachvollziehen.
Ultimativ ist A.I. und A.I. Art das, was wir daraus machen. Nutzen wir es als Werkzeug, um unsere eigene Kreativität zu steigern und noch besser Kunstwerke und Tattoos zu schaffen oder lassen wir uns überrumpeln und geben alle Arbeit an die Maschinen ab? Das ist eine Frage und eine Antwort, die wir alle mit unserem Verhalten dieser Neuerung gegenüber im Laufe der Zeit beantworten werden.
Persönlich denke ich, dass menschliche Kunst mehr als nur Farbe auf einer Leinwand ist. Es ist Emotion, ein Schnappschuss des Kreativprozesses, eine milliarden-kleine Entscheidungen, die bei unzähligen Pinselstrichen stattfindet. Etwas, was eine A.I. schlecht immitieren kann. Mich fasziniert Kunst, wenn sie mich innerlich berührt. Giger ist optisch natürlich sehr cool, aber was mich so an seiner Kunst fesselt, ist das Gefühl, die depressiv dystopische Stimmung, die Schwere der Szenen, eben das Gefühl "Giger". Eine A.I. kann dies immitieren, aber ob sie dies eines Tages wirklich aus eigenen Stücken selbst erschaffen, kann bleibt abzuwarten.
Dies ist ein Bild, welches ich mit Midjourney kreiert habe. Es ist sehr gigeresque und auch deutlich realistischer, als seine Zeichnungen und Gemälde. Es transportiert, für mich persönlich, jedoch keine der Emotionen, die ich bei Gigers Arbeiten empfinde.
Entwicklungen stellen Gesellschaften immer vor große Fragen. So ist es auch bei der Kunst der künstlichen Intelligenz, wir werden alle live mit erleben und auch mitbestimmen, inwieweit diese Kunst unsere Gesellschaft verändert.
Wird fortan nur noch Kunst von künstlicher Intelligenz gekauft, weil sie günstiger zu produzieren ist und es dem Käufer egal ist, wer das Bild erstellt hat? Ist der kaufenden Person der Mensch hinter der Kunst egal und geht es nur um das fertige Produkt, Hauptsache es ist möglichst perfekt? Dann kann es gut sein, dass wir eines Tages keine Künstler mehr haben. Doch ist es am Ende die Imperfektion die uns ausmacht? Das Emotionale, das Wilde, das nicht Berechen- oder Programmierbare? Ich finde die Reise, auf der wir uns befinden, sehr aufregend und bin gespannt, wie sich die Zukunft formieren wird.
Persönlich denke ich, A.I Kunst ist ein Werkzeug wie jedes andere. Ein Hammer kann ein Haus errichten, um einer Familie ein zu Hause zu geben oder eben auch einen Schädel einschlagen. Was das Werkzeug am Ende tut, liegt immer in der Hand des Trägers.
Persönlich wird mich diese Entwicklung wenig beeinflussen. Ich male, weil ich es gerne mache, ich mag den Prozess dahinter, die Ruhe, die ich dabei empfinde, den Geruch der Farbe und das Erschaffen von Neuem. All dies verspüre ich nicht, wenn ich einen Computer bediene. Daher wird es mich wohl auch immer wieder an die Leinwand und natürlich auch die Haut zurückziehen.
Besonders auch im Umgang mit meinen Tattoo Kunden finde ich es spannend, gemeinsam Projekte zu realisieren. Die meisten Kunden kommen zu mir und haben eine grobe Idee davon, was es werden soll. Meine Aufgabe ist es, diese Idee in ein tolles Design umzuwandeln, welches zeitlich lange gut auf der Haut erhalten bleibt und auch gut auf dem Körper aussieht. Dies ist es, was mir so viel Spaß beim Tätowieren bereitet. Daher freue ich mich über A.I. als helfende Hand für neue spannende Texturen, werde aber weiterhin viel Freude daran haben, die Designs meiner Kunden selbst zu gestalten.
Und um das ganze noch etwas spannend abzuschließen, habe ich den Spieß mal umgedreht. Anstatt der A.I. zu befehlen, was sie zu tun hat, habe ich sie gefragt: "Was ist der Unterschied zwischen menschlichem Bewusstsein und Künstlicher Intelligenz?"
Das Ergebnis liegt gar nicht so weit auseinander, wie ich gedacht hätte: